Geschichte des Anwesens Oberfichtenmühle
Etwa auf halbem Weg zwischen Rednitzhembach und Schwand liegt etwas abseits der heutigen Kreisstraße in einer parkähnlichen Landschaft die Oberfichtenmühle. Die ehemalige Papiermühle ist bis in das 14. Jahrhundert nachzuweisen. Sie wird schon 1363 als „Viecht Muel“ genannt und war eine der ersten Papiermühlen im Markgraftum Ansbach. Die Kunst des Papiermachens hatte der Nürnberger Unternehmer Ulman Stromer mit seiner Fabrikation in der Hadermühle im Jahr 1390 in Deutschland etabliert. Der Beschreibstoff Papier trat damit seinen Siegeszug an; schon wenige Jahrzehnte später, 1433, taucht die Oberfichtenmühle als bedeutende Papiermühle auf. Die Papierproduktion war ein einträgliches Geschäft, aber nicht das einzige, das hier betrieben wurde: So ist in einer Verkaufsurkunde des Jahres 1684 von zwei Mühlwerken die Rede, die vom Hembach angetrieben wurden. Eines diente der Papierherstellung, das andere dem Betrieb einer Schleifmühle. Der Viehbestand war beträchtlich und bereits 1564 war ein Gärtner vorhanden. Die Gebäude „umgaben schöne Laubgänge von Pfirsichen und feinen Apfelsorten“.
1557 wurde in unmittelbarer Nähe zu der Papiermühle auch eine Ziegelhütte errichtet. Die Lehmvorkommen im Hembachtal an dieser Stelle gaben wohl den Anlass zur Errichtung eines solchen Handwerksbetriebes. Dieser war bis zum Jahr 1640 ein eigenständiger Betrieb unabhängig von der Papiermühle. Erst ab diesem Jahr wird für beide Betriebe ein gemeinsamer Besitzer, Erasmus Mörl, genannt, dem außerdem das benachbarte Holzgut („Holzgütel“) gehörte, das zu dieser Zeit als Folge des 30-jährigen Krieges zerstört und verlassen war. Mörl hat im Jahr 1641 die Ziegelhütte „zurichten“ lassen, sei es, dass sie baufällig war oder sei es, dass sie durch die Ereignisse des 30-jährigen Krieges in Mitleidenschaft gezogen worden war. In den Schwander Kirchenbüchern werden bis zum Ende des 17. Jahrhunderts „Ziegler auf der Fichtenmühle“ genannt. Die Ziegelei scheint zu diesem Zeitpunkt zu Ende gegangen zu sein und in den folgenden 100 Jahren verfiel die Ziegelhütte offensichtlich zusehends, bis sie im Jahr 1805 von Friedrich Carl Volkert in ihrem heutigen Aussehen wieder errichtet wurde.
Nach häufigem Besitzerwechsel gelangte die Mühle 1684 in den Besitz des Markgrafen von Ansbach. Die Ernennung zur „Hochfürstlichen Papiermühle“ und die Qualität des hier erzeugten Papiers machten die Oberfichtenmühle zu einer der bedeutendsten Papiermühlen im deutschsprachigen Raum. 1861 brannte das Mühlengebäude vollständig ab und wurde großzügig wieder aufgebaut. 1867 endete die Tradition der Papierer auf der Oberfichtenmühle, da die traditionelle Herstellung aus Hadern nicht mit der industriellen Produktion konkurrieren konnte.
1871 wurde in der Oberfichtenmühle ein Zweigbetrieb der Glocken-Bleistiftfabrik aus Schweinau bei Nürnberg eingerichtet. Nun wurden in der Oberfichtenmühle Blei- und hochwertige Farbstifte und Pastellkreiden produziert, die überwiegend in den Export gingen. Bei den Weltausstellungen in London, Paris und Santiago de Chile wurden die Stifte wegen ihrer herausragenden Qualität mit Medaillen ausgezeichnet.
Im Jahr 1912 wurde zusätzlich eine Geflügelzucht aufgebaut. Hierfür wurden amerikanische Brutöfen importiert und eine für die damalige Zeit im Landkreis Schwabach vollkommen neue Hühnerfarm eingerichtet. In der Viehzählung von 1912 werden in der Oberfichtenmühle 304 Enten, 755 Hühner und 111 Truthühner genannt. Als Folge des wirtschaftlichen Niedergangs nach dem 1. Weltkrieg musste dieser Betrieb 1918 wegen Schwierigkeiten bei der Futterbeschaffung aufgegeben werden.
In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg waren in den Gebäuden mehrere Betriebe eingemietet, u.a. ein Hammerwerk zur Bronzeherstellung und eine Spielwarenfabrik. Im eigentlichen Mühlengebäude waren eine Tabakwaren- und Lamettafabrikation eingerichtet. Am Himmelfahrtstag 1931 brannte das Fabrikgebäude nieder und wurde umgehend wieder aufgebaut; ab diesem Zeitpunkt wurde es als Schullandheim genutzt. In den Jahren des 2. Weltkriegs wurden im Rahmen der Kinderlandverschickung Nürnberger Kinder betreut. Nach der Zerstörung des Staatlichen Straßenbauamts in Nürnberg richtete diese Behörde für einige Jahre ihre Diensträume in der Oberfichtenmühle ein. Am 1. Juni 1940 mietete die Katholische Kirchenstiftung Schwabach Räume in der ehemaligen Ziegelhütte zur Einrichtung eines Betsaals für die noch kleine Gemeinde von Schwand und Rednitzhembach. Die alte Feuerglocke der Bleistiftfabrik wurde nun zur Kirchenglocke umgewidmet. Diese Notkirche bestand bis zur Weihe der neuen Katholischen Kirche in Plöckendorf am 14. Mai 1961. In den Jahren nach Ende des 2. Weltkriegs fanden viele Vertriebene in der Oberfichtenmühle ihre erste Bleibe, und auch der CVJM Fürth richtete hier ein Freizeitheim ein.
Baugeschichtliche Bedeutung
Das stattliche, sozialhistorische Denkmal des Mühlengebäudes hat hinsichtlich der Ortsgeschichte und der baulichen Überlieferung einen hohen Stellenwert. Das Gebäude ist ein stattlicher, zweigeschossiger Bau mit hohem, dreigeschossigem Satteldach, das von seiner südlichen Traufseite erschlossen wird und über einem gestreckten, rechteckigen Grundriß steht. Neben der Sandsteinquaderkonstruktion ist das Äußere der regionalen Bautradition verbunden; dabei zeigt es wichtige Neuerungen, die für den Wohnhausbau des späteren 19. Jahrhunderts wichtig wurden, wie etwa das profilierte, umlaufende Sohlbankgesims des Obergeschosses, das das Erdgeschoß überhöht und das Obergeschoß zurücknimmt.
Das im Osten der Mühlenhofstelle stehende Wohnhaus des Eigentümers hat eine hohe Bedeutung im Anwesen der Mühle. Eine erhöhte Aufmerksamkeit verdient das Gebäude auch aus Altersgründen, da es zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem der Wiederaufbau der Schwander Gebäude nach den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges stattfand, von deren Tradition es abhängig ist.
Die ehemalige Ziegelhütte bildet mit einem gegenüberstehenden Schuppen einen Verschluß, nach dem die Zufahrt in das große Mühlenhofgelände mündet. Das Gebäude bezieht daraus eine besondere städtebauliche Bedeutung. Es handelt sich um einen stattlichen, erdgeschossigen Fachwerkbau mit hohem Satteldach, der über einem rechteckigen Grundriss steht. Formal folgt die Architektur einer regionalen Bautradition, die sich vom Hopfenbauernhaus herleitet. Der Entstehungszeit entsprechend, ist das Fachwerk konstruktiv ausgelegt und zeigt neben Jochstreben keine Motive. Allerdings ist die Stärke der handwerklich bearbeiteten Hölzer zu erwähnen, die ein qualitativ-dekoratives Merkmal darstellt. Auf der Westgiebelseite ist die Fachwerkstruktur durch eine Sandsteinquaderwand unterbrochen, die eine dahinterliegende, gewölbte Schwarzküche mit ehemals offenem Schlot bezeichnet.